In Frakturschrift
Insel-Bücherei Nr. 15, 36. - 40. Tausend
Die Freiheit
Dieser Aufsatz Heinrich von Treitschkes stammt aus dem Jahre 1861.
Leseprobe:
Wann werden sie jemals aussterben, jene ängstlichen Gemüter, denen es ein Bedürfnis ist, sich die Mühsal des Lebens durch selbstgeschaffene Pein zu erhöhen, denen jeder Fortschritt des Menschengeistes nur ein Anzeichen mehr ist für den Verfall unseres Geschlechtes, für das Nahen des Jüngsten Tages? Die grosse Mehrheit der Zeitgenossen beginnt, gottlob, wieder recht derb und herzhaft an sich selber zu glauben doch sind wir schwach genug, mindestens einige der trüben Vorhersagungen jener schwarzsichtigen Geister nachzusprechen. Ein Gemeinplatz geworden ist die Behauptung, die alles beleckende Kultur werde endlich auch die Volkssitten durch eine Menschheitsitte verdrängen und die Welt in einen kosmopolitischen Urbrei verwandeln. Aber es waltet über den Völkern das gleiche Gesetz wie über den einzelnen, welche in der Kindheit geringere Verschiedenheit zeigen als in gereiften Jahren. Hat anders ein Volk überhaupt das Zeug dazu...