Sagen zwischen Jura und Alpen
Zu allen Zeiten haben die Menschen, bedrängt von den dunkel waltenden Mächten der Natur - ihrer eigenen Menschennatur und der Erdenatur - Mittel und Wege gesucht, dieser Mächte Herr zu werden. Sie haben darum das innere Geschehen (Freude und Trauer, Wut und Angst) wie auch das äussere (Regen und Dürre, Geburt und Tod) in bild- und gestalthafte Vorstellungen eigener Prägung übersetzt, um so Gewalt über das Unbegreifliche zu erlangen und es festzubannen. Oder um es zu verehren und günstig zu stimmen. Wie die erschaffene Gestalt der unsichtbaren Macht begrenzende Form verleiht und sie damit in ausdrückliche Beziehung zu ihrem Schöpfer bringt, so auch das Wort. Wer das Wort kennt und den Namen weiss, löst das Rätsel, das ihn in den Banden des Unverstandes gefange hielt, im Dunkel des Ungestalten, also im Reich der Fabelwesen, Ungeheuer, Riesen, Zwerge und Geister.
Aus diesen Urgründen menschlicher Kultur sind auch unsere schweizerischen Sagen und Mären erwachsen. Denn was bedeutet Kultur anderes, als den irdischen und geistigen Boden bereiten, damit Erspriessliches gedeihe und nicht das Nichts bestehe, das Form- und Bodenlose? ...