Sizilien ist eine Insel. Diese geographische Binsenwahrheit muss man sich ständig vor Augen halten, denn die Insularität Siziliens ist zugleich Ursache, Schlüssel und Problem des sizilianischen Lebens, Wesens, Seins. Gewiss, der Sprung von der Insel zum italienischen Festland, hinüber zur kalabrischen Küste, ist nicht weit, ist mit blossem Auge zu tun: drei Kilometer an der Schmalsten Stelle, heute weniger als eine lappalie und in viertelstündiger Fährefahrt zu überbrücken, aber selbst in alten Zeiten, als die Meeresungeheuer Skylla und Charybdis wagemutige Seefahrer zu verschlingen drohten, kein unüberwindliches Hindernis. Doch der geographisch so nahe continente, wie die Sizilianer in selbstgewollter Distanzhaltung italienische Halbinsel nennen, steht ihnen bis heute fern: politisch-sozial, wirtschaftlich, geistig, menschlich. Das Getrennstein vom Festland, das Inseldasein Siziliens, ist mehr als ein rein geographisches Faktum.