Grundzüge eine Psychologie des dichterischen Schaffens
In diesem Buch soll an einem eng umgrenzten Material der Versuch gemacht werden, auf völlig neuer Grundlage und von ungewohnten Gesichtspunkten aus, Einblicke in die Vorgänge des dichterischen Schaffens zu gewinnen. Wie schon das Titelblatt anzeigt, handelt es sich nicht um eine literarhistorische Untersuchung, sondern vorwiegend um psychologische Probleme, deren volles Verständnis beim Dichter allerdings nur an der Hand literarischer und biographischer Nachweise möglich ist. Anderseits ist zu erwarten, dass die psychologische Durchleuchtung einzelner Dichterpersönlichkeiten und ihrer Schöpfung ihr Licht auf den literargeschichtlichen Entwicklungsgang zurückstrahlen werde, der ja nur in der Aufeinanderfolge der persönlichen Entwicklung einzelner überragender Dichterindividualitäten besteht. Es sollen nun, zunächst innerhalb der Sphäre eines einzigen weitverzweigten Motivs, vornehmlich die Werke der dramatischen Dichtkunst, unbeschadet ihrer sonstigen Bedingungen, vom psychologischen Standpunkt betrachtet werden: also gleichsam von innen heraus, als rein persönliche, individuell bedingte Leistungen eines eigenartigen Seelenlebens. Das heisst aber nicht so sehr die Werke der Kunst als den Künstler, der sie hervorbringt, ins Auge fassen; das heisst aber weiterhin nicht Literatur- und Kunstgeschichte, sondern Psychologie des Künstlers treiben. Diese Verlegung des Standpunktes von aussen nach innen bedeutet natürlich, da sie ja nur mit Hilfe des bisher ermittelten Tatsachenmaterials und seiner wissenschaftlichen Verarbeitung möglich geworden ist, keine Ablehnung oder Herabsetzung anderer Forschungsmethoden, sondern soll nur in extremer Weise die Besonderheit unserer Arbeitsweise kennzeichnen.