Ausgewählte Grablieder des oberschwäbischen Dorfpfarrers Michael Jung
Es ist in der hunderjährigen Geschichte des Königreichs Württemberg sicher nur das eine Mal passiert, dass ein einfacher katholischer Priester dieser hohen Auszeichung gewürdigt wurde, mit welcher der persönliche Adel verbunden war. Derselbe Michael von Jung, Ritter des kgl. württ. Zivilverdienstordens, bis zum Jahr 1849 immer noch Parrer von Kirchdorf a.d. Iller, wird jedoch in eben diesem Jahr seiner Pfarrstelle enthoben und strafweise auf die St. Johannes-Kaplanei in Tettnang versetzt, die er bis zu seinem Tod am 24. Juli 1858 versehen hat.
Vom König ausgezeichnet, vom Bischof gemassregelt: was hatte Michael Jung verbrochen? Nichts anderes als Grablieder. Wären sie auf dem Papier stehen geblieben wie tausend Gedichte, die sich Lieder nennen, aber nie gesungen wurden, dann hätte man über sie die Nase gerümpft oder gelacht, ihnen auch kein kirchliches Imprimatur erteilt, den Dichter persönlich aber unbehelligt gelassen. Dass dieser aber seine Lieder in dem oberschwäbischen Winkel mit Lautenbegleitung, im Orenat und an offenen Gräbern sang, ihnen im Begräbnisritus gar die Stelle den Leichenpredigt einräumte, das wollte den Hütern von Ordnung und Würde in Stuttgart und Rottenburg als barer Unfug erscheinen, den man abstellen musste.