In Frakturschrift
Insel-Bücherei Nr. 463,
Baron Hüpfenstich
Leseprobe:
In dem ehrlichen Lande regierte der König Haltewort, ein sehr guter, aber noch viel strengerer Herr, dann und wann auch sehr grob. Er hatte sehr viel zu tun, denn er hielt Wort, und seine Vorfahren waren so vielversprechende Herren gewesen, dass er alle Hände voll hatte, für sie Wort zu halten, besonders da einer manchmal das Gegenteil vom andern versprochen hatte.
Aber das machte ihn nicht irr. Er hielt immer recht wacker zu Wort. Sonst kümmerte er sich um nichts und war gar nicht neugierig; denn er fürchtete immer, er möchte ein neues Versprechen erfahren, das er halten müsse, und das wäre ihm fatal gewesen. Er lebte sehr friedlich in seinem Lande un hatte mit allen Königen der Welt einen Frieden geschlossen, welcher in den Worten bestand: "Tue mir nichts, ich tue dir auch nichts."
Dieser gute König hatte eine Tochter, die sehr neugierig war und überall mit ihrem Näschen vornedran sein musste. Sie war so neugierig gewesen, zu willen, wie es auf der Welt aussäge, dass ihre Mutter ihr noch gar die Wiege nicht zurechtgemacht hatte, als das Kind schon vom Himmel herab der Frau Mutter entgegenhüpfte, worüber die gute Königin, die gern alles in der Ordnung hatte, vor Schrecken starb, indem sie ihr Töchterlein ans Herz drückte und sprach: "Mein Kind will wissen, wie es auf der Welt aussieht, drum muss ich sehen, wie es im Himmel aussieht. Möge die Woche, die du mir zu früh gekommen bist, dir einstens treue Dienste leisten!"