In Frakturschrift
Insel-Bücherei Nr. 539, 11. - 15. Tausend, [1] IB
Adalbert Stifter - Essay
Leseprobe: Jetzt, in unserer Zeit, ist ein Jahrhundert vergangen, dass Adalbert Stifter zu schreiben begonnen hat. Neben der Malerei, an die er Lust und Liebe und Fleiss wendete, neben den Naturwissenschaften, die ihm vielleicht einmal einen Brotberuf schaffen konnten, neben dem Stundengeben, das ihn in der Stadt Wien ernährte, und neben den Freuden, die er in seinem Leben nicht missen mochte: die an der Kunst, an der Natur, an Schönheit in allen Gestalten, hat der Sohn des Böhmerwaldes angefangen, Gebilde seiner Einbildungskraft niederzuschreiben, angeregt von Vorbildern aus dem Schriftum seiner Tage, befeuert durch die wachsende Luft an der Mitteilung, beflügelt von einem Wissen um das Göttliche und um die Menschenhoheit.
Albert Stifter war nicht der Jüngste, als er begann; da er die 'Feldblumen' schrieb, war er dreissig, im Druck erschien seine erste Erzählung aber erst fünf Jahre später; dann freilich kamen seine Dichtungen in rascher Folge ans Tageslicht, farbenglühend und frisch wie die Schwingen des eben die Puppe zurücklassenden Tagfalter.