'Da, wo wir zu Hause waren, war die Gegend eng.'
So lautet der erste Satz dieser Geschichtensammlung. Ein von steilen Bergen eingefasstes Tal wird beschworen, das seinen Bewohnern eher ein verriegeltes Dasein als eine trauliche Geborgenheit beschert.Die Ich-Erzählerin, die als zehnjähriges Mädchen auf einem Bauernhof bei Onkel und Tante die Sommerferien verbringt, leidet unter ihrer ‹Nirgendszugehörigkeit›. Doch ihr von Heimweh getriebener Ausbruchsversuch führt nicht weiter als talabwärts ins Elternhaus, das ihr, wie aus anderen Geschichten hervorgeht, die nötige Wärme schuldig blieb. Die Urner Bergwelt, gegen die das Mädchen aufbegehrt, hat – gewinnt man den Eindruck – die Beschaffenheit dieser Texte mitgeprägt: die nüchterne, bisweilen schartige, dann wieder leidenschaftlich expressive Diktion, das spezifische Gewicht dieser ungebärdigen Wort- und Satzballungen, die ebenso am Ungemach ihrer Figuren wie an den sprachlichen Konventionen rütteln. Die landschaftliche Enge scheint den Blick der Autorin geschärft zu haben für die dürftigen Verhältnisse, in denen sie aufgewachsen ist. Sie hat ein feines Gespür für das Unheil, das hinter vermeintlich harmlosen Tätigkeitenund Befindlichkeiten lauert und jäh hervorbrechen kann. So hält sie etwa Rückschau auf das triste Leben ihres Vaters, der als Arbeiter eine kinderreiche Familie zu ernähren hatte und seine vitale Präsenz der Fabrik opferte, so dass für seine Angehörigen nur mehr ein buchhalterischer Ordnungsfanatiker übrigblieb. Wie gern hätte ihm die Tochter eine weniger kontrollierte Lebensweise gegönnt. Und am Bild ihrer Mutter, die sich unter dem Kreuz Jesu mit dem Bügeleisen zu schaffen macht, geht ihr unvergesslich deren freudloses Schicksal auf. Wie der Titel des Buches verrät, handeln manche Geschichten vom Glanz und Elend dessen, was sich zwischen den Geschlechtern zuträgt. Zweifellos geht es dabei fintenreich zu, doch in der Optik der Autorin ist die Liebe eine so schwierige Angelegenheit, dass ihr Scheitern nicht allein dem oft grotesken Verhalten der männlichen Partner angelastet werden mag. So unbestechlich Lisa Elsässer das menschliche Tun und Lassen auch beobachtet, sie stellt ihre Figuren niemals bloss, sondern begegnet ihnen mit Empathie. Wie zart schildert sie etwa die feenhafte Bauernmagd Marta, die den Kindern, Katzen und Mäusen gleicherweisezugetan ist. Vielleicht am schönsten gedenkt diese erinnerungsgesättigte Prosa in 'Ewiger Schnee' eines verstorbenen Freundes, den sie in einem ungemein behutsamen, elegischen Text noch einmal auferstehenlässt. Werner Morlang