In Frakturschrift
Erzählung aus innerrussischen Provinz von Lilli Haller
Leseprobe:
Der frühere Adelsmarschall des Gouvernements Iwer, Michail Wladimirowitsch Orloff, stand wartend am Bahnhof des Bezirksstädtchens Torschok. Ein mittelgrosser, ältlicher Junggeselle, Pince-nez, eine ganz kleine Krümmung dicht unter dem Nacken. Er stand, ging, stand wieder und wurde nervös. Der Zug wollte nicht kommen. Ja, dieses Torschok! Eigentlich am Ende der Welt. Ein Strassenpflaster aus Felsblöcken, ein Bouleward nicht grösser wie eine Tenne, ein Bahnhof, der nach Kohle, Teer, Staub, sauren Gurken und Petroleum roch. Nicht zum Aushalten. - Und dann das Gesindel, das da herumlagerte, die reinsten Raub- und Mordphysiognomien!
Man war ja seines Lebens nicht sicher. Wo blieb auch der Zug? - Unwillkürlich zog der Marschall den Kragen des leichten Sommerüberziehers hoch. - Da kam auch der Zug endlich angefahren. Eine kurze, braungelbe Wagenreihe, eine Art Begrüssungsgebrüll aus einem Abteil zweiter Klasse, vier blonde Köpfe an den Fenstern.
Der Marschall tritt dicht an den Wagentritt heran und lächelt ein freundliches, goldplomiertes Lächeln. Von drinnen her rumort es. Da stösst man die Wagentür auf, und...