In früheren Zeiten hätte es einer Entschuldigung bedurft, sich mit Kinderliedern abzugeben. Seit aber das ernsthafte folkloristische Studium aufgekommen und die Blüte getreten ist, hat man angefangen zu erkennen, dass auch das bisher Unbeachtete, ja Missachtete von hohem wissenschaftlichen Werte sein kann. Böhme führt in der Einleitung zu seinem grundlegenden Werke über das Deutsche Kinderlied vier Gründe für den Wert des Sammelns echter Kinderpoesie an. Nach ihrer mythologischen, sittengeschichtlichen, sprachlichen und ästhetisch-pädagogischen Seite hin will er sie zu würdigen suchen. Ich denke, die Anerkennung der drei ersten Gründe liegt auf der Hand, aber auch der letzte Grund schein mir gerade in gegenwärtiger Zeit von grosser praktischer Bedeutung. Bei der Überschwemmung mit gemachter Jugendliteratur, wie sie die letzten Jahre gebracht hat, kann nicht oft und nachdrücklich genug auf die echte, durch Tradition geweihte, im Volke noch schlummernde Naturpoesie hingewiesen werden.