VORTRAG gehalten in der Sektion Freiburg des SLV und den Sektionen Oberaargau und Frutigen des BLV von Dr. Karl Wyss
Separatabdruck aus der "Schweizerischen Lehrerzeitung" Nrn. 31 und 32 - 1946
Leseprobe: "Inwendig im Menschen gibt es etwas, nenne man es Seele oder Ich oder wie man will, meinetwegen X, das von den Wandlungen des Leibes unabhängig ist, das sich nicht um den Zustad des Gebhirns und um die Fassungskraft des Geistes kümmert, das nicht wächst und sich entwickelt, weil es von Anbeginn fertig da war, etwas das schon im Säugling wohnt und sich zeitlebens gleich bleibt. Sogar sprechen kann das X, ob auch nur leise. Es sagt, wenn ich seinen fremdländischen Dialekt recht verstehe: "Wir kommen von weitem her." Diese Worte stehen auf den ersten Seiten des Buches "Meine frühesten Erlebnisse". Sie sind ein Schlüssel zu Spittelers Leben und Werken. Von Geburt an bis ins hohe Alter waren für ihn nicht die Gegenstände, die Tatsachen, die Wirklichkeit das Entscheidende. In ihm war ständig etwas in Bewegung, das Sinneseindrücke und Empfindungen, Gedanken und Erinnerungen verarbeitete zu inneren Gesichten, Erkenntnissen und Ueberzeugungen, die vom ganzen Menschen Besitz ergriffen, sein Handeln bestimmten und sein Leben formten. Ferinand Hodler hat das gespürt und in seinem Spitteler-Bildnis gestaltet: Wie der blinde Homer ist der greise Dichter im Banne der gewaltigen Gsichte, die seinem innern Auge erscheinen....
Mit Widmung des Verfassers